Lüge oder Wahrheit?

Im Laufe meines Lebens bin ich immer wieder Menschen begegnet, denen es zur zweiten Natur geworden ist, zu lügen. Manchmal sind es nur kleine Lügen, entweder um einen kleinen Fehler zu verdecken oder um Unbequemlichkeiten zu umgehen. Manchmal sind die Fehler größer und auch die Lügen müssen größer werden. Und wieder andere scheinen sich ein Leben aufgebaut zu haben, daß nur aus Lügen besteht. Bei diesen Menschen frage ich mich immer, wen sie eigentlich mehr belügen: ihre Mitmenschen oder eher sich selbst.

Durch die Erfahrung mit meinem Ex, habe ich gelernt, Lügen recht schnell zu durchschauen (wobei ich manchmal offensichtliche Lügen zwar bemerke, jedoch nicht sehen will – doch das ist ein anderes Thema). Sobald er mir gegenüber eine Lüge aussprach, erkannte ich es an seinen Augen: sie flackerten unruhig, versuchten in meinem Gesicht zu lesen, ob ich ihm das Gesagte nun abnehme oder nicht. Doch auch wenn er seine Lügen telefonisch oder schriftlich vorbrachte, kam ich ihm auf die Schliche – mein Magen funktioniert bei mir am Herzen liegenden Menschen wie ein ausgezeichneter Lügendetektor und beschert mir bei Ausschlag Richtung Lüge erstklassige Magenschmerzen, in ganz schlimmen Fällen überfällt mich ein nicht zu kontrollierendes Zittern, das sogar meine Zähne klappern lässt.

Meine Tochter kann (noch) nicht lügen, tut sie eigentlich auch gar nicht, sie flunkert höchstens. Und wenn ich sie dann fest anschaue, gibt sie recht schnell zu, daß das Gesagte nicht der Wahrheit entspricht. Da sie weiß, daß sie keine Strafe (höchstens ein ernsthaftes Gespräch) kassiert, wenn sie Mist gebaut hat, braucht sie auch gar nicht zu lügen. Eine Strafe gäbe es höchstens, wenn ich sie bei einer erheblichen Lüge erwischen würde.

Wenn ich mich durch so manche Blogs lese, dann denke ich mir oft, daß das Geschriebene sehr oft der Lüge entspricht. Schließlich ist es ein Leichtes, sich im Blog zu dem Menschen zu machen, der man gerne wäre – und wenn es meilenweit von dem entfernt ist, was man wirklich ist. Dumm nur, wenn man dann wirklich mal einige Mitblogger real kennenlernt, dann fällt das Lügengebilde schnell in sich zusammen.
Doch ehrlich gesagt stören mich diese Lügen nicht – die Chance, mit diesen Menschen wirklich einmal real zusammenzutreffen, ist denkbar gering. Und wer sich gerne zum Superman machen möchte – bitte schön!

Obwohl ich eigentlich ein wahrheitsliebender Mensch bin, muss auch ich zugeben, schon das ein oder andere Mal gelogen zu haben:

Lädt mich jemand aus meiner großen Verwandtschaft z.B. zum Kindergeburtstag ein, täusche ich einen anderen Termin vor, weil ich a) keine Lust habe, auf gerade eben diese Verwandtschaft zu treffen und b) ich erst recht nicht dafür das Spritgeld ausgeben möchte.

Habe ich einem Kollegen zugesagt, ihm am nächsten Tag eine CD oder ein Buch mitzubringen und hab ich es dann vergessen (was bei mir besonders in letzter Zeit häufig vorkommt), dann erzähle ich etwas von Hektik und Stress zuhause, weil es mir schlichtweg peinlich ist, so vergesslich zu sein.

Wie oft ich meinem Ex einen Orgasmus vorgespielt habe, kann ich gar nicht mehr zählen. Die letzten beiden Jahre versuchte ich einfach nur noch, ein Zusammenleben ohne Ärger zu schaffen, dazu gehörten auch diese „Pflichten“ und er gab erst auf, wenn ich mindestens dreimal schreiend gekommen war – da ich auf ihn allerdings keine Lust mehr hatte, er mich sogar angeekelt hat, musste ich auf diese Art der Lüge zurückgreifen.

Menschen, die mir am Herzen liegen, lüge ich grundsätzlich nicht an. Dies habe ich in meiner ersten Beziehung getan und die bittere Erfahrung gemacht, daß diese Lügen irgendwann einmal auffliegen. Und inzwischen weiß ich – dank meinem Ex – wie man sich fühlt, wenn man derart belogen wird.

Obwohl – ich muss zugeben, einen Menschen, der mir sehr am Herzen liegt, lüge ich bewusst an: meine Motte. Mal schauen, wie lange sie mir die Geschichten von Nikolaus, Christkind und Osterhase noch abnimmt.
Alltäglicher Wahnsinn
klar.text - 2007.04.20, 09:24

Schön formuliert und mir aus dem Herzen gesprochen.
Allerdings: Orgasmus vortäuschen ist eine Todsünde.
Warum macht Frau das?

flyhigher - 2007.04.20, 11:07

deswegen!

Liebe Singlemama, ich hoffe du verzeihst diese Verlinkung, sie dient nicht traffic-zwecken, sondern der Aufklärung :-)
SingleMama - 2007.04.20, 12:16

klar.text: sicherlich - in einer intakten Beziehung einen Orgasmus vorzuspielen ist wirklich eine Sünde und eigentlich auch nicht nötig. Mein Partner kennt mich dann gut genug, um zu wissen, daß ich a) nicht immer kommen kann und b) nicht immer kommen muss.
In diesem Fall war es so, daß ich einfach nur noch mitgemacht habe, um nicht noch weiteren Ärger zu provozieren. Lust hatte ich nicht auf ihn - und so blieb es nicht aus, daß ich überhaupt nicht zum Orgasmus gekommen wäre, selbst wenn er noch so "technisch versiert" gewesen wäre. Für ihn jedoch gehörte es dazu - und so habe ich es vorgespielt.
SingleMama - 2007.04.20, 12:16

Fly: es ist dir verziehen - und der Beitrag ist ja auch gut ;o)
Hoshi - 2007.04.20, 09:44

Bewusst notlügen (manchmal eben auch beim Sex) oder eventuell nicht immer alles erzählen, also nur die halbe Wahrheit sagen, ist meiner Meinung nach bedingt erlaubt. Warum soll ich immer alles erzählen und das auch noch jedem Hans und Franz?

Dann gibt es das "Belügen" der Kinder. Manche Fragen muss man als Mutter umschiffen, altersgerecht antworten halt. Dass man z.B. bei sexuellen Fragen wichtige Details weg lässt, versteht sich hoffentlich von allein. Dann gibt es die Traditionslügen. Dazu gehören auch Märchen wie die Geschichte vom Nikolaus und co. Daran kann ich nichts Schlimmes finden.

Sich selbst aufwerten durch falsche Aussagen der Lebenssituation finde ich allerdings erbärmlich. Ausserdem recht anstrengend, denn zum Lügen gehört nicht nur eine enorme Klugheit, nein, auch ein super gutes Gedächtnis braucht mann und auch frau.

SingleMama - 2007.04.20, 12:17

du hast völlig Recht - auch ich frage mich übrigens, wenn ich bewusst einen Teil der Wahrheit verschweige: ist das dann auch eine Art Lüge?

Und ja: gute Lügner müssen vor allem ein sehr gutes Gedächtnis haben
Hoshi - 2007.04.20, 15:26

Hm... Wahrheit kann ja leider auch sehr schonungslos und verletzend sein und hilft nicht immer die Situation zu verbessern. Deshalb denke ich, dass immer eine Menge Feingefühl nötig ist, um abzuwägen ob Wahrheit oder lieber nichts sagen oder gar richtig lügen(z.B. bei einem vorgetäuschtem Orgasmus?!) Wenn mit der reinen Wahrheit mehr zertört würde als mit kleinen Notlügen oder mit Schweigen, dann bin ich dafür! Natürlich wäre es besser, wenn man gar nicht erst flunkern müsste, wenn das Vertrauen auf beiden Seiten gross genug wäre, um immer und überall Klartext zu reden. Aber wie du schon schreibst... bei der Meinung, ob frau nun ein erfülltes Sexerlebnis hatte, ob mit oder ohne Erfüllung, da gehen die Meinungen von Mann und Frau manchmal auseinander. Und wenn MANN es eben nicht glauben kann oder will, dass frau auch OHNE befriedigt sein kann, dann spielt frau ihm eben was vor... damit er auch glücklich ist. Was solls? ;))) Ist nicht das Optimale, aber auch nicht das Schlimmste, was einer Beziehung passieren kann. Trotzdem freue ich mich, dass ich so einen Partner nicht mehr ;) habe, mein jetziger Mann kann Lob wie auch Kritik vertragen und ich muss nicht mehr schummeln *ggg*

Fremden Menschen erzähle ich grundsätzlich nicht alles. Warum sollte ich. Das hat rein gar nichts mit Lügen zu tun, meine ich!? Denn was ich erzähle ist wahr, dazu erfinden muss ich nichts. Nur erzähle ich eben nicht alles. Mit zu viel Wissen gibt man dem Gegenüber Macht. Nicht alles erzählen ist deswegen auch Schutz. Ich habe zum Glück kein Problem damit zu sagen, dass es private Dinge gibt, die nicht jeden was angehen. Da ziehe ich klare Grenzen. Das kann aber leider nicht jeder.
Hoshi - 2007.04.20, 15:26

Boah, Tschuldigung... ist ganz schön lang geworden... lalala... rotwerd!
CineMare - 2007.04.20, 12:57

Im vergangenen Jahr habe eine Studie gelesen nach der angeblich der Mensch bis zu 200 Mal täglich lügt.
Durchschnittlich.

Von der kleinen Lüge "Wie gehts heute- Danke gut" bis zu den grösseren.
Die Lüge scheint gesellschaftsfähig zu sein und manchen Menschen quasi schon zur zweiten Natur geworden zu sein.

Bei der Nikolaus- und Osterhasi-Lüge bin ich echt ans Grübeln gekommen ob ich meinem Kinde reinen Wein einschenken sollte. Aber letztlich habe ich aus Traditionsgründen mitgespielt.

Xchen - 2007.04.20, 19:33

Ich mag dazu nicht viel sagen, doch du hast Recht.

Ich lüge, wenn ich mich schützen muss oder manchmal auch, um den anderen zu schützen.

Und ich täusche keinen Orgasmus vor, weil ich schlicht und einfach beim Sex nicht zum Orgasmus komme (und auch die Kontrolle vorläufig nicht aufgeben kann/will) - und wenn ein Mann damit ein Problem hat und auch nach meinen Erklärungen nicht kapieren will, warum das so ist, dann soll er es halt lassen und gehen.

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